Wir haben alle Direktkandidat:innen für den Wahlkreis Darmstadt der Bundestagswahl am 23.02.2025 angeschrieben, um ihre Haltung zu wichtigen Fragen rund um Kurdistan und Rojava zu erfahren. Leider haben nur vier Parteien auf unsere Anfrage geantwortet.
Wir danken allen Kandidat:innen, die sich die Zeit genommen haben, auf unsere Fragen zu antworten ❤️ Im Folgenden führen wir unsere Fragen sowie die erhaltenen Antworten ungekürzt auf.
Treten Sie für schnelle humanitäre Hilfe der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Selbstverwaltung (DAANES) in Nordostsyrien ein? Unterstützen Sie die Forderung an die Türkei, Grenzübergänge zwischen der Türkei und DAANES für humanitäre Hilfe zu öffnen?
Stella Streit (Freie Wähler)

Als Vertreterin der Freien Wähler trete ich mit Nachdruck für schnelle humanitäre Hilfe ein. Die dramatische Situation in Nordostsyrien erfordert eine internationale Solidarität, unabhängig von politischen Differenzen. Es ist essenziell, dass die Menschen vor Ort Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen wie Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung erhalten. Die Blockade von Grenzübergängen durch die Türkei stellt ein ernsthaftes Hindernis dar und verschärft die humanitäre Krise unnötig. Daher unterstütze ich die Forderung, dass die Türkei Grenzübergänge öffnet, um humanitäre Hilfe zu ermöglichen. Es ist inhuman, Menschen in Not Hilfe zu verwehren, und solche Maßnahmen sollten im Rahmen internationaler Vereinbarungen und durch diplomatischen Druck durchgesetzt werden.
Jakob Migenda (Die Linke)

Ja. Die demokratische Selbstverwaltung ist ein wichtiges Beispiel, dass eine multikulturelle und demokratische Gesellschaft auch unter schwersten Bedingungen existieren kann. Die Türkei muss ihre Blockade und ihre Angriffe stoppen. Wenn es die Bundesregierung mit wertegeleiteter Außenpolitik ernst meint, muss sie Druck machen und selbst humanitäre Hilfe unterstützen.
Anna Schupp (MLPD)
Die Forderung nach humanitärer Hilfe unterstützen wir uneingeschränkt. Wir sind Mitglied der ICOR und treten ein für internationale Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf, sowie dem Wiederaufbau, den wir zum Beispiel mit ICOR-Solidaritätsbrigaden zum Bau eines Geburtszentrums unterstützt haben. Die Errichtung eines humanitären Korridores nach Rojava ist notwendig und muss mit anderen Staaten gemeinsam gegen die imperialistische Türkei erkämpft werden.
Mitja Stachowiak (Partei Mensch Umwelt Tierschutz)
Ja.
Werden Sie mit anderen politischen Kräften Ihren politischen Einfluss geltend machen und sich dafür einsetzen, dass der NATO-Partner Türkei die völkerrechtswidrigen Bombardierungen der Infrastruktur in den selbstverwalteten Gebieten beendet und keine militärischen Angriffe islamistischer Milizen auf Rojava unterstützt?
Stella Streit (Freie Wähler)
Völkerrechtswidrige Bombardierungen und militärische Angriffe auf zivile Infrastruktur oder die Unterstützung von Milizen sind absolut inakzeptabel. Als NATO-Mitglied hat die Türkei nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine moralische Verpflichtung, das Völkerrecht zu achten. Ich sehe es als die Verantwortung Deutschlands und der EU, solche Verstöße klar zu benennen und sich international für deren Beendigung einzusetzen. Dies könnte durch diplomatischen Druck, Sanktionen oder auch durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen erfolgen, die die Einhaltung des Völkerrechts überwachen. Wichtig ist, dass solche Maßnahmen nicht nur reaktiv sind, sondern langfristig darauf abzielen, die Grundlagen für Frieden und Stabilität in der Region zu schaffen. Völkerrechtswidrige Bombardierungen und militärische Angriffe auf
Jakob Migenda (Die Linke)
Ja Wir stellen uns als Linke seit vielen Jahren gegen die völkerrechtswidrigen Angriffe der Türkei auf Rojava und thematisieren das auch immer wieder im Bundestag.
Anna Schupp (MLPD)
Ja, das machen wir bereits. Wir arbeiten international mit fortschrittlichen Kräften zusammen und fordern einen Stopp der Angriffe der Türkei auf Rojava/Nordsyrien und die Aufhebung des PKK- Verbots! Die Türkei ist ein faschistisches Land und mit ihrer Großmachtpolitik an einer Neuaufteilung Syriens, sowie des gesamten Nahen und Mittleren Ostens interessiert. Wir fordern die sofortige Beendigung aller wirtschaftlichen, militärischen und diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und der faschistischen Türkei! Der Kern der Auseinandersetzungen der Kriege im Nahost sind die imperialistischen Interessen und der Streit um das strategisch wichtige Land. Ein Ende imperialistischer Kriege wird es erst geben, wenn wir den Kapitalismus überwunden haben. Denn er ist die tiefere Ursache, warum es immer wieder zu Kriegen bis zur heutigen Weltkriegsgefahr kommt. Wer Kriege beenden will, muss sich der revolutionären Bewegung anschließen und auch über gesellschaftliche Perspektiven diskutieren – für uns ist das der echte Sozialismus, wie ihn Marx und Lenin entwickelt haben.
Mitja Stachowiak (Partei Mensch Umwelt Tierschutz)
Ja.
Wie stehen Sie zur Forderung, die Waffenlieferungen an die Türkei einzustellen?
Stella Streit (Freie Wähler)
Die Frage der Waffenexporte ist immer mit einer ethischen Verantwortung verbunden. Waffenlieferungen in Länder oder Regionen, in denen diese zur Eskalation von Konflikten beitragen könnten, widersprechen den Grundsätzen einer friedensfördernden Außenpolitik. Es ist bekannt, dass Waffen aus Deutschland in der Vergangenheit in Konflikten wie dem in Nordostsyrien verwendet wurden. Ich plädiere dafür, die Waffenlieferungen an die Türkei umgehend zu stoppen, solange der Verdacht besteht, dass diese Waffen gegen internationale Vereinbarungen oder zur Unterdrückung von Minderheiten und zur Eskalation in Konfliktgebieten eingesetzt werden. Diese Position ist nicht nur moralisch gerechtfertigt, sondern auch ein Signal, dass Deutschland keine aggressive Politik unterstützt.
Jakob Migenda (Die Linke)
Ja. Wir treten als Linke grundsätzlich für den Stop von Waffenexporten ein. Die Bundesregierung unterstützt damit die völkerrechtswidrigen Angriffe der türkischen Armee und ihrer Verbündeten.
Anna Schupp (MLPD)
Der deutsche Imperialismus ist führend in der Verfolgung der kurdischen Befreiungsbewegung, sowie in der Lieferung von Kriegswaffen an die Türkei, die um Machterweiterung strebt. Wir stehen klar für aktiven Widerstand und fordern: Keine Waffenlieferungen an die Türkei! Auf die Straße gegen die imperialistischen Kriege und Kriegstreiber!
Mitja Stachowiak (Partei Mensch Umwelt Tierschutz)
Als NATO-Mitglied wird es kaum möglich sein, die Türkei von Waffenlieferungen auszuschließen. Vor ein paar Jahren hätte ich noch gesagt, die NATO sei ohnehin nicht mehr wichtig. Aber die Lage hat sich leider nicht gerade zum Guten entwickelt. Wir müssen heute sehen, wer zu unseren Verbündeten zählt.
Wie stehen sie zu einer Schließung des Luftraumes für die Türkei?
Stella Streit (Freie Wähler)
Die Schließung des Luftraums für die Türkei wäre eine drastische Maßnahme mit weitreichenden Konsequenzen. Sie könnte Spannungen innerhalb der NATO erhöhen und möglicherweise diplomatische Bemühungen erschweren. Allerdings ist es genauso wichtig, dass die internationale Gemeinschaft der Türkei klare Grenzen aufzeigt, wenn völkerrechtswidriges Verhalten vorliegt. Eine solche Maßnahme sollte daher nur als letzter Schritt in Betracht gezogen werden, wenn alle anderen diplomatischen Bemühungen gescheitert sind. Ich setze mich dafür ein, dass Deutschland in internationalen Gremien darauf hinwirkt, dass Maßnahmen getroffen werden, die gezielt Druck ausüben, ohne die Chancen auf einen Dialog vollständig zu zerstören.
Jakob Migenda (Die Linke)
Ja. Ein Ende der türkischen Luftüberlegenheit durch einen geschlossenen Luftraum, macht es leichter die demokratische Selbstverwaltung zu verteidigen und schützt die Menschen in Rojava vor Bombardierungen.
Anna Schupp (MLPD)
Die Schließung des Luftraums über Nordostsyrien für die Türkei halten wir für eine berechtigte Forderung
Mitja Stachowiak (Partei Mensch Umwelt Tierschutz)
Im Hinblick darauf, dass etwa das Open-Skies-Abkommen die Spannungen zwischen NATO und Russland etwas abbauen konnte, würde ich eher zu einer demilitarisierten Luftraumöffnung tendieren.
Wie stehen Sie zur Forderung, dass die Bundesregierung mit den Behörden der Selbstverwaltung offizielle Gespräche führen und Schritte zu einer Anerkennung der Autonomie von Rojava innerhalb Syriens unternehmen soll?
Stella Streit (Freie Wähler)
Die Anerkennung von Rojava ist ein sensibles Thema, da es die Souveränität Syriens und internationale Machtverhältnisse betrifft. Dennoch zeigt die Selbstverwaltung in Rojava Ansätze, die zu Stabilität und Frieden in einer ansonsten konfliktreichen Region beitragen könnten, darunter die Förderung von Demokratie, Gleichberechtigung und multikulturellem Zusammenleben. Ich halte es für richtig, dass Deutschland mit den Behörden der Selbstverwaltung Gespräche führt, um ein besseres Verständnis der Lage zu gewinnen und Möglichkeiten der Unterstützung auszuloten. Die Anerkennung der Autonomie sollte jedoch in einem breiteren internationalen Rahmen geklärt werden und nicht durch einseitige Entscheidungen vorangetrieben werden.
Jakob Migenda (Die Linke)
Ja. Die Bundesregierung soll die Demokratische Selbstverwaltung in Nordsyrien anerkennen und unterstützen. Das wäre ein wichtiger symbolischer Schritt um der Türkei und ihren Verbündeten und auch der neuen Regierung in Damaskus zu zeigen, dass sie keine internationale Rückendeckung für Angriffe auf Rojava haben.
Anna Schupp (MLPD)
Wir befürworten offizielle Gespräche zwischen der Bundesregierung und Rojava und eine Anerkennung der Selbstverwaltung. Doch die imperialistische BRD arbeitet bisher aus eigenen Macht- und Profitinteressen mit der Türkei eng zusammen. Deshalb kann und wird diese Forderung nur durch breiten Protest und Solidarität der Massen möglich.
Mitja Stachowiak (Partei Mensch Umwelt Tierschutz)
Ein höheres Maß an regionaler Selbstverwaltung scheint für Rojava erstrebenswert. Im Hinblick auf den ewigen Konflikt um Israel hätte ich einige Bedenken gegenüber einer vollständigen Ausgründung Rojavas als Kurdischer Nationalstaat. Soweit ich weiß, ist heute auch die kurdische Bewegung nicht mehr unbedingt auf einen eigenen Staat in diesem Sinne ausgerichtet. Aber hier fehlen mir empirische Daten.
Befürworten Sie eine unabhängige Untersuchung der Kriegsverbrechen der Türkei durch die internationale Gerichtsbarkeit?
Stella Streit (Freie Wähler)
Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Kriegsverbrechen müssen unabhängig von den beteiligten Akteuren untersucht und sanktioniert werden. Ich unterstütze die Forderung, eine unabhängige Untersuchung der Vorwürfe gegen die Türkei durch internationale Gerichtsbarkeiten wie den Internationalen Strafgerichtshof durchzuführen. Nur durch Transparenz und Gerechtigkeit können langfristige Lösungen gefunden werden. Zudem würde eine solche Untersuchung den Opfern die Anerkennung ihrer Leiden geben und verhindern, dass solche Taten in Zukunft ungestraft bleiben.
Jakob Migenda (Die Linke)
Ja. Kriegsverbrechen dürfen von niemandem Ungesühnt bleiben. Auch auf individueller Ebene müssen Sie verfolgt werden. Ich hoffe sehr, dass auch der IStGH Ermittlungen aufnimmt. Mit den Haftbefehlen gegen Putin und Netanjahu und andere hat er gezeigt, dass er auch bereit ist Kriegsverbrechen großer Staaten zu verfolgen. konsequenterweise muss er auch Erdogans untersuchen.
Anna Schupp (MLPD)
Eine Untersuchung der Kriegsverbrechen seitens der bürgerlichen Gerichte ist zu befürworten. Gleichzeitig darf sich nicht darauf beschränkt werden und braucht es die breite internationale Solidarität.
Mitja Stachowiak (Partei Mensch Umwelt Tierschutz)
Ja.
Unterstützen Sie die Forderung an die Türkei, den kurdischen Vordenker Abdullah Öcalan nach 25 Jahren unmenschlicher Isolationshaft, ohne Kontakt zu seiner Familie und seinen Anwälten, endliche freizulassen, um auch einer gerechten politischen Lösung der Kurdistan-Frage näher zu kommen?
Stella Streit (Freie Wähler)
Abdullah Öcalan sitzt seit 25 Jahren in Isolationshaft, die in vielerlei Hinsicht menschenrechtswidrig ist. Diese Art der Haftbedingungen verstößt gegen internationale Standards und das Recht auf ein faires Verfahren. Ich sehe in einer möglichen Freilassung auch eine Chance, den Dialog zwischen der Türkei und den Kurden wiederzubeleben und einen friedlichen Lösungsprozess der Kurdistan-Frage anzustoßen. Dabei muss jedoch auch darauf geachtet werden, dass dies im Rahmen eines internationalen Prozesses geschieht, der die Rechte aller Beteiligten berücksichtigt.
Jakob Migenda (Die Linke)
Ja. Abdullah Öcalan ist der bekannteste und wichtigste von rund 10.000 politischen Gefangenen in der Türkei und ein Schlüssel für eine friedliche und demokratische Entwicklung in der Türkei und zur Lösung der kurdischen Frage. Ich habe im Dezember an einer internationalen Delegation auf Einladung der DEM-Parti für den Frieden in der Türkei teilgenommen und dort eine Petition für einen Besuch bei Abdullah Öcalan für Gespräche mit unterzeichnet.
Anna Schupp (MLPD)
Wir fordern schon seit langem die Freilassung von Abdullah Öcalan. Auch wenn wir nicht mit allen seinen Positionen übereinstimmen und diese auch öffentlich kritisiert haben, stand für uns immer die Solidarität an erster Stelle. Seine Behandlung durch den türkischen Staat ist unsäglich und muss umgehend beendet werden. Eine gerechte politische Lösung der Kurdistan-Frage kann es nur im Kampf gegen das imperialistische Erdogan-Regime und weitere mit ihm verbundene neuimperialistische Kräfte wie Russland oder Iran geben. Der Kampf für eine sozialistische Perspektive ist der Weg für die Völker im Nahen Osten, für ein friedliches und freies solidarisches Zusammenleben. Stoppt den Flächenbrand im Nahen Osten!
Mitja Stachowiak (Partei Mensch Umwelt Tierschutz)
Nein, nach meinem Wissen gilt es als gesichert, dass Öcalan Mordaufträge erteilt hat, auch gegen Mitglieder der eigenen Organisation. Das Strafmaß sollte von einem internationalen Gericht geprüft werden. Unabhängig davon müssen menschenunwürdige Haftbedingungen, wie Isolationshaft, aufgehoben werden. Wenn dies durch die Türkei nicht sichergestellt wird, sollte Öcalan in einem anderen Land inhaftiert werden.
Antworten anderer Kandidat:innen
Viola Gebek (FDP): Wir werden die Wahlprüfsteine intern beantworten, dies kann womöglich etwas länger dauern. Wir werden uns jedoch schnellstmöglich bei Ihnen zurückmelden.
Astrid Mannes (CDU): Angesichts der sehr verkürzten Zeitläufe in diesem Bundestagswahlkampf haben sich die Generalsekretäre der Parteien CDU, CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, Die Linke darauf geeinigt, nur Wahlprüfsteine und Fragen von Verbänden von einigen wenigen vorab gemeinsam vereinbarten, die gesamte Breite des gesellschaftlichen Spektrums repräsentierenden Verbänden und Organisationen zu beantworten. Wir bitten Sie um Ihr Verständnis für das angepasste Verfahren in dieser besonderen Situation und möchten Sie herzlich dazu einladen, in Ihren Zeitschriften und auf Ihren Webseiten auf das Wahlprogramm von CDU und CSU hinzuweisen, das wir gerne beifügen. Dieses und weitere Informationen zum Bundestagswahlkampf finden Sie auch auf unserer Homepage https://www.cdu.de.
Alle anderen angeschriebenen Parteien (SPD, Grüne, Volt, Die Partei usw.) haben nicht geantwortet.